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Psychologie in Cuba - März 2000 - Ein Reisebericht

von Birgit Skusa-Freeman

Buenos Dias,

12 PsychologInnen, PsychotherapeutInnen und ÄrztInnen aus Österreich und Deutschland sowie ein psychologischer Kollege, der als kubabegeisteter Reiseleiter fungierte und diese Reise zum zweiten Mal organisiert hatte, folgten der Einladung der psychologischen Institute der Universitäten von Havanna und Santiago de Cuba, die psychosozialen Aspekte des kubanischen Gesundheitswesens und deren Einrichtungen näher kennenzulernen.

Ankunft

In Havanna wurden wir von einer kompetenten und äußerst hilfsbereiten Dolmetscherin begleitet, die nicht müde wurde, all unsere Gespräche mit den kubanischen Kollegen zu übersetzen. In Santiago de Cuba begleitete uns ein Dolmetscher, der früher Ingenieurwissenschaften in der ehemaligen DDR studiert hatte und sich inzwischen mit Übersetzungen sein Geld verdient. Schon am ersten Abend nach einer ausführlichen Stadtführung durch das wunderschöne Havanna, wo überall die traditionelle kubanische Musik (Buena Vista Social Club z. B.) zu hören war, besuchten wir den einzig übriggebliebenen der "alten" Psycho-analytiker Kubas in seinem Haus in Havanna. Es entwickelte sich ein interessantes Gespräch über die Geschichte als auch den aktuellen Stand der Psychoanalyse in Cuba.

Facultad de Psicología und Hospital Hermanos Ameijeiras

Am nächsten Morgen wurden wir in der der Facultad de Psicología de La Universidad de La Havana sehr freundlich von den dortigen Professoren der Psychologie empfangen. Die Fakultät wurde 1962 gegründet. Dr. Eduardo Cairo, Professor für Neuropsychologie, hielt uns einen Vortrag über die Geschichte und aktuelle Lage der Psychologie in Cuba. Anschließend hatten wir Gelegenheit, uns gegenseitig kennenzulernen sowie auch verschiedene Räume der Universität zu sehen. Die Bibliothek war leider abgeschlossen und niemand konnte den Schlüssel finden, so daß man uns den Computerraum der Universität zeigte. In einem kleinen stickigen Raum standen ca. 5 Computer mit einem Internentanschluß, in dem wir ebenso wie in den anderen Räumen nur wenige Studenten und Professoren trafen. Wir erfuhren, daß die meisten Mitglieder der Fakultät gerade bei einer militärischen Übung waren. Am Nachmittag besuchten wir das Hospital "Hermanos Ameijeiras" in Havanna, dem wichtigsten Krankenhaus des Landes. Nach der Vorführung eines Videofilms über das Krankenhaus konnten wir ein ausführliches Gespräch mit einem dort arbeitenden Psychologen des Krankenhauses führen. Er berichtete, daß die Psychologie einen eigenständigen Dienst im Krankenhaus darstelle, mit 26 Psychologen, die alle Absolventen der psychologischen Fakultät von Havanna seien. Auch 10 Psychometristen zur Testdurchführung zählten dazu. Der psychologische Dienst werde vor allem bei der Behandlung der vielen psychosomatischen Patienten hinzugezogen. Psychosomatische Störungen sei eine sehr typische Erkrankung in Kuba. Es gäbe z.B. allein 3 Millionen Hypertonikern (Schätzung)bei nur insgesamt 11 Millionen Einwohnern. Vor allem durch Streß, die schwierige ökonomische Lage und Not, sowie durch familiäre Schwierigkeiten litten die Menschen unter großen Angstzuständen und der Unfähigkeit, ihre Probleme eigenständig zu lösen. Vor allem die überlasteten Funktionäre aus den Stadtteilgebieten seien häufige Patienten aufgrund von Dauerstreß und Überlastung. Weitere psychosomatische Erkrankungen seien vor allem Migräne und Asthma bronchiale. Depressionen seien ebenfalls weit verbreitet. Bezüglich der Suizidformen berichtete der kubanische Kollege, daß sich kubanische Frauen vor allem verbrennen würden, während bei Männern der Suizid durch Erhängen sehr häufig sei. Im Osten Kubas sei noch erheblich stärker das Patriarchat zu spüren mit vielen "Machos". Es würde dort erheblich mehr Alkohol getrunken. Bei ehelichen Gewalttätigkeiten mische sich die Polizei nicht ein. Zu den Psychologen würden vorwiegend Frauen kommen. Frauen in Cuba hätten viele Rollen zu übernehmen, die auf psychophysische Kosten der Frauen gehen würden. Alleinerziehende Frauen würden immer mehr werden, viele Frauen wollten nur noch ein Kind. Es gebe aber auch mehr Hochschulabsolventen unter Frauen als unter Männern. Frauen seien in vielen hohen Positionen Kubas vertreten, jedoch weniger in der Politik. Es gebe jedoch mehrere Frauen, die Minister seien. Alleinerziehende Frauen würden häufig sehr stark durch ihre Ursprungsfamilie unterstützt. Dies bringe jedoch auch viele Reibungen und Grenzüberschreitungen (im Sinne einer unklaren Abgrenzung der Aufgaben in der Familie) mit sich.

Neben Entspannungstraining zum Streßabbau, progressiver Muskelrelaxation, Biofeedback, direktiver Psychotherapie, Gruppenpsychotherapie vor allem für Alkoholiker, Problembewältigungstherapie und bei schweren Fällen Fokaltherapie würden die kubanischen Kollegen auch Weiterbildungslehrgänge für ihre Mitarbeiter anbieten. Da die Nachfrage sehr groß sei, hätten die Psychologen des Krankenhauses nur wenig Zeit für den einzelnen Patienten. Es bestehe ein kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansatz neben dem historisch-kulturellen Ansatz von Wygotzki. Es gebe sowohl russische als auch nordamerikanische Einflüsse. Seit der Öffnung Kubas nach außen gebe es auch ein größer werdendes Drogenproblem und somit einen allmählichen Beginn der Drogenbehandlung. Auch Anorexia und Bulimia nervosa seien früher unbekannt gewesen, kämen jetzt aber vor. Zur Diagnosenerstellung würde die ICD 10 und der DSM 4 verwandt.

Da das Krankenhaus das wichtigste in Cuba sei, finde man hier hochspezialisierte Ärzte und Fachleute, die in multidisziplinären Teams zusammenarbeiten. Gleichzeitig arbeite man eng mit den Gemeinden zusammen. Die Ärzte erhielten eine Grundausbildung in Psychologie, müßten nach dem Studium 2 Jahre als Familienarzt arbeiten, wobei sie dazu in irgendeinen Teil des Landes gesandt werden könnten.

Im Anschluß an das ausführliche Gespräch schauten wir uns noch die psychiatrische Abteilung an, die vor allem für akute Krisenfälle zuständig ist. Es gibt sowohl eine Frauenabteilung als auch eine Männerabteilung für je 28 Patienten, sowie eine Tagesklinik für 10 Patienten.

Santería

Am Abend besuchten wir einen Priester der Santería - Religion und nahmen an einem afro-kubanischen Heilungsritual teil. Einige Teilnehmer nutzten die Gelegenheit zu einer persönlichen Beratung durch den Babalawo. Der Priester wohnte in einem Stadtviertel, das an diesem Abend unter einer Stromsperre litt, so daß die Straßen in Dunkelheit lagen.

Hospital Psiquiatrico

Am nächsten Morgen besuchten wir das Hospital Psiquiatrico de La Habana, das psychiatrische Krankenhaus von Havanna, das seit 1857 besteht. Eine Professorin der psychologischen Fakultät, ein Psychiater und ein Pfleger der Psychiatrie führten uns durch das Krankenhaus und erläuterten uns das Konzept der psychologischen und psychiatrischen Arbeit in der Psychiatrie. Das Krankenhaus besitze 4.100 Betten, von denen durchschnittlich 3.400 belegt seien. Das Krankenhaus habe sich ein hohes Ansehen erworben, so daß es viele Nachfragen von Patienten gebe. Das Team bestehe aus Psychiatern, Psychologen, Therapeuten, Sozialarbeitern, Pflegern, Helfern und allgemeinen Hilfskräften. Es gebe 39 Säle. Der größte sei für 55 Patienten. Pro Saal gebe es einen Chefarzt, 1 bis 2 Psychiater, 1 bis 2 Assistenzärzte und 1 bis 3 Psychologen. Bezüglich der pflegerischen Betreuung entspräche internationalem Standard. Die Fluktuation des Personals sei gering. Es würden international bekannte Medikamente wie Neurocil und Haldol ausgegeben. Nach der Entlassung würden SozialarbeiterInnen den Patienten in seiner Familie ab und zu besuchen, denn oft "stehe hinter einem psychiatrischen Patienten eine psychiatrische Familie ". Es stünden auch juristische Betreuer zur Unterstützung bei Notlagen zur Verfügung. Zur Behandlung gehörten Medikamente, Gespräche, Arbeitstherapie, Beschäftigungstherapie und vor allem Sport. So verfügt das Krankenhaus über eine große Sportarena. Es gibt ein "Psico-Balett", eine Baubrigade sowie eine "Brigada de Macheteros Voluntarios" (Brigade von Zuckerrohrschneidern). Elektroschocktherapie würde nur selten angewandt. Die kubanischen Psychiater seien zur Zeit dagegen; jedoch würde sie bei akuter Suizidalität unter Narkose und Entspannung eingesetzt. Manchmal würden die Patienten zusammengebunden ins Krankenhaus gebracht. Man habe jedoch festgestellt, daß es nicht nötig sei, die Patienten zu fixieren, wenn sie genügend Aufmerksamkeit bekämen. Weiterhin gab es eine forensische Abteilung und ein großes  Museum zur Geschichte des Hospitals.

Im Museum fanden wir viele Fotos über den verheerenden früheren Zustand des "Hospital Psiciatrico", seiner Patienten und deren Behandlung. Man ist stolz auf die Errungenschaften der heutigen Zeit, vor allem seit der Revolution vor 40 Jahren. Auch hier fanden wir wieder Bilder von Fidel Castro und Che Guevara "über allem wachend" vor. Auch das Erbe von Jose Marti wurde hier hochgehalten. So fanden sich vor allem im Museum verschiedene Aussagen Jose Marti:

"Se tiene el talento para honrarse con el, no para deshonrar a los demas". (Man hat das Talent, sich selbst zu ehren, anstatt andere zu entehren). Jose Marti 1875.

"Las ambiciones personales son enemigos terribles de la grandeza de los pueblos". (Die persönlichen Ambitionen sind furchtbaren Feinde der Großzügigkeit der Völker.) Jose Marti 1877.

"La Gloria se conquista asaltandola". (Ruhm und Ehre wird erlangt, in dem man sie erobert) Jose Marti.

Als wir morgens in dem Krankenhaus eintrafen, spielte eine Musikkapelle unter einer Veranda wunderbare kubanische Musik. Man erzählte uns, daß die Kapelle täglich vormittags spiele. Später erhielten wir eine kleine Kostprobe von dem musikalischen Talent einiger psychiatrischer Patienten. Eine große Gruppe von Sängern als auch Musikern hatte sich in einem Saal auf der Bühne versammelt, um uns und einigen anderen Besuchern ihr musikalisches Können vorzuführen. Wir waren gerührt und fasziniert von den wunderbaren Stimmen, den musikalischen Darbietungen wie z. B. den drei Tenören, den wunderbaren Tanzeinlagen und den Solovorträgen.

Vor einem Schlafsaal entdeckten wir das Plakat mit dem Foto des "Patienten des Monats". Dieser darf als Belohnung ein Vier-Sterne-Hotel oder eine touristische Attraktion mit einem Pfleger besuchen.

In dem Schlafsaal, den wir sehen durften, gab es nur die absolut ordentlich hinterlassenen 55 Betten ohne jegliche persönliche Gegenstände. Man berichtete uns, daß der Patient eine Tasche mit persönlichen Gegenständen abgeschlossen in einem Schrank habe, zu dem er nur einmal pro Tag Zugang habe. Die Patienten würden "zuviel unnützes Zeug sammeln". Weiterhin konnten wir die Patienten bei der Beschäftigungstherapie (Töpfern, Malen, Schnitzen) beobachten. Wir bekamen auch einen Einblick in Hygienemaßnahmen wie Haare- und Nägelschneiden. Auf dem Hof sahen wir Frauen in grauer Arbeitskleidung, die sich für die Arbeitstherapie sammelten und in Reihen aufstellten. Die Patienten, die wir bei der musikalischen Aufführung gesehen hatten, rüsteten sich später für ihre freien Ausgänge, die sie als Belohnung erhielten.

Wir wurden weiterhin darin unterrichtet, daß jeder Bezirk des Landes ein kleines psychiatrisches Krankenhaus mit 60 bis 70 Betten besitze.

Aids-Sanatorium

Am Nachmittag besuchten wir das "Sanatorio Santiago de las Vegas", einem Sanatorium für HIV positive und an AIDS erkrankte Patienten. Ein Psychologe führte uns durch die wunderschönen Anlagen dieses Sanatoriums, wo viele kleine Häuser mit 2 oder 4 Appartement in einer parkähnlichen Anlage den Patienten zur Verfügung stehen. Es können hier bis zu 300 Patienten Aufnahme finden, wobei durchschnittlich 260 bis 280 Patienten dort seien. Früher seien die HIV-Infizierten und AIDS-Patienten zwangsweise interniert worden. Heute müssten die HIV-Infizierten an einem ca. 8-wöchigen stationären Orientierungskurs teilnehmen, bevor sie dann frei entscheiden könnten, ob sie weiter in ihrem alten sozialen Umfeld leben oder in das Sanatorium umziehen möchten. Die Aufnahme in das Sanatorium sei freiwillig, und die Behandlung sei gratis. Die Behandlung bestehe u.a. aus Medikamenteneinnahme, Ernährung und der Gartenanlage. Es würden ca. 8.000 bis 10.000 Dollar pro Jahr pro Patient an Medikamenten ausgegeben werden. Die Patienten bewohnen kleine Appartements, können dort selber kochen, wofür die Lebensmittel vom Sanatorium gestellt werden würden, oder im Speisesaal essen. Für Patienten, die schwere Symptome entwickelt haben, gibt es den "Beobachtungssaal", den wir ebenfalls besuchen konnten. Hier gab es mehrere kleine Zimmer, in denen 2 bis 4 Patienten mit schweren Symptomen lagen und behandelt wurden. Im Sanatorium wohnt ebenfalls ein Familienarzt, der einen 24-Stunden-Dienst hat. Es gibt ebenfalls ein Beschäftigungszentrum, und die Patienten können freiwillige Arbeit leisten. Haustiere seien in gewissen Grenzen erlaubt, so daß wir einige Hunde und Katzen zwischen den Häusern antrafen. Die Patienten könnten bis zu ihrem Tode in dem Sanatorium bleiben. Viele Patienten würden jedoch die ambulante Betreuung vorziehen, nachdem sie in der Klinik zur Diagnostik und Prognostik waren. Inzwischen dauere es 13 Jahre von der Entdeckung der Erkrankung bis zu ihrem Ausbruch. Früher sei sehr viel Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung notwendig gewesen, jetzt gebe es jedoch keine Ablehnung mehr bezüglich HIV-positive und AIDS-Erkrankter. 75 % der Patienten seien bi- oder homosexuell. Das Land hänge weitgehend von Schenkungen bezüglich Medikamente ab, die Cuba nicht im eigenen Land herstellen könne.

Sinn und Ziel der Behandlung seien sowohl die Kontrolle als auch die Betreuung und Unterstützung der Patienten, die diese Erkrankung erleiden. Das Land habe große Opfer für diese Behandlung zu machen, da es in dem Sanatorium mehr Lebensmittel gebe als sonst wo auf Cuba. Die psychologische Behandlung bestehe aus Entspannungstraining und Yoga, Ernährungsberatung und Problemlösetraining. Die Mitarbeiter würden aufgrund der intensiven Betreuung der Patienten sehr unter dem Burn-out-Syndrom leiden. Die Patienten würden ebenfalls zur Gesundheitsaufklärungsarbeit angeleitet werden. Die Beziehung zum Arbeitsplatz zu erhalten werde ebenso gefördert wie die Erhaltung der familiären Beziehungen. So seien Besuche die ganze Woche über möglich.

Man habe inzwischen herausgefunden, daß psychologische Faktoren sehr wichtig für das Phänomen des Langzeitüberlebens seien (seit 19 Jahren HIV positiv ohne große Symptombildung im Vergleich zu Kurzzeitüberlebenden) . Es gebe mehrere Basisfaktoren, die nicht isoliert, sondern in ihrer Verbindung für das Langzeitüberleben wichtig seien:

1. Eine gesunde Persönlichkeitstruktur (im Sinne einer guten Ich-Stärke), verbunden mit der Fähigkeit aus der reaktiven Depression herauszukommen,

2. die Wahrnehmung und der Glaube an eine ausreichende soziale Unterstützung,

3. der Wunsch zu leben.

Beide Psychologen, die wir in dem Sanatorium kennenlernten, erschienen sehr engagiert, lebendig und in ihrer Arbeit mit den Patienten aufgehend. Während unseres Durchgangs lud uns ein Bewohner des Sanatoriums ein, sich sein Appartement anzuschauen. Er lebte dort mit seiner Freundin und seinem Hund. Er berichtete uns, daß er die Medikamente des Sanatoriums nicht nehmen würde, da er Angst habe, zu Tests mißbraucht zu werden.

Psychologisches Institut in Santiago de Cuba

Am nächsten Morgen ging es sehr früh mit der ersten Maschine nach Santiago de Cuba weiter, um dort die kubanischen Kollegen des Psychologischen Instituts der Universität zu treffen.

Am Nachmittag des ersten Tages in Santiago de Cuba lernten wir die verschiedenen Mitglieder des psychologischen Instituts der Universität von Santiago de Cuba kennen und wir stellten uns gegenseitig mit den jeweiligen Arbeits- bzw. Forschungsgebieten vor. Am psychologischen Institut von Santiago de Cuba arbeiten 15 Hochschullehrer mit 257 Studenten. Die Studiendauer betrage durchschnittlich 5 Jahre. Der Konferenzraum, in dem unser Treffen stattfand, war sehr einfach ausgestattet und von den ursprünglich acht Neonlampen hing noch eine an der Decke. Ähnlich sah es in vielen anderen Räumen und Gebäuden aus, die wir sahen. Viele Dinge, die im Laufe der Zeit kaputtgegangen waren, konnten nicht repariert oder ersetzt werden, so daß viel Improvisationstalent bzw. Frustrationstoleranz von den Kubanern verlangt wird. Einige Mitglieder des Instituts begleiteten uns anschließend auf der Stadtführung durch Santiago de Cuba und stellten uns stolz ihre Stadt und deren Sehenswürdigkeiten vor.

Tagesklinik

Am nächsten Tag besuchten wir das Hospital de Dia en el Hospital General Santiago (die Tagesklinik des Zentralkrankenhauses in Santiago), wo neurotisch und psychotisch erkrankte Patienten behandelt werden. Wir lernten im Gespräch mit den dort tätigen Psychologinnen und Psychologen die einzel- und gruppentherapeutischen Ansätze auf der Station kennen. Die kubanischen Kollegen hatten Freude, mit uns als Klienten eine familientherapeutische Sitzung in Form eines Rollenspiels durchzuführen, um uns ihre Vorgehensweise erlebnisorientiert nahe zu bringen. Auch hatten wir die Gelegenheit, an der morgendlichen gruppentherapeutischen Begrüßungsrunde der Tagesklinik teilzunehmen.

Gemeindezentrum "El Tivoli"

Am Nachmittag zeigten uns einige Mitglieder der Fakultät stolz das Gemeindekulturzentrum "El Tivoli" in einem sozial eher schwierigen Stadtviertel von Santiago, das unter maßgeblicher Beteiligung der Abteilung für Gemeindepsychologie des Instituts aufgebaut worden war. Eine dort tätige Psychologin führte uns in ihre Arbeit ein und mehrere Mitglieder der Gemeinde gaben uns eine Kostprobe ihrer musikalischen, tänzerischen und schauspielerischen Fähigkeiten. Kinder, Jugendliche und Erwachsene hatten ihre Freude bei der Darbietung und es war eine Freude, ihnen dabei zuzuschauen.

Familienarzt

Am nächsten Vormittag besuchten wir einen Familienarzt in einem Stadtviertel von Santiago, in dem er für ca. 120 bis 150 Familien zuständig ist. Er zeigte uns seine äußerst bescheidene Praxis, in der wir nur sehr wenige medizinische Instrumente vorfanden, die auf einem einfachen Schreibtisch, einem Untersuchungstisch und auf einer Steinspüle zu finden waren. Über der Praxis befindet sich die Wohnung des Familienarztes und seiner Familie, durch die er uns ebenfalls gerne führte. In der Praxis lernten wir auch eine Psychologin kennen, die zusammen mit dem Familienarzt die Familien betreut. Wir kamen zu einer Schwangerschaftsberatung von vier jungen schwangeren Frauen durch die Psychologin hinzu, konnten diese miterleben.

Klinik für Jugendliche

Am Nachmittag besuchten wir die "Clinica del Adolescente" (Klinik für Adoleszente), einer Tagesklinik für Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren. Auch hier wie auch sonst wurden wir herzlich von dem Behandlungsteam empfangen. Wir wurden dazu eingeladen, eine Gruppentherapiesitzung zum themenzentrierten Arbeiten mit dem Thema "Verantwortung und Wachsen" mit 10 Kindern bzw. Jugendlichen zu beobachten. Diese 10 Kinder wurden von 3 Mitarbeitern, die sich in ihren Übungen abwechselten, betreut. Zweimal wöchentlich finden für 1 bis 1 ½ Stunden diese Gruppentherapien statt. Die dort zu behandelnden Kinder und Jugendlichen würden unter Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität, Lernstörung, depressiven Störungen und anderen Verhaltensstörungen leiden. Viele dieser Jugendlichen hätten Schwierigkeiten in der Familie, und ein hoher Anteil dieser jungen Patienten käme aus geschiedenen Familien. In der Behandlung kämen u. a. die systemische Familientherapie als auch verhaltenstherapeutische Methoden wie das Rollenspiel und die Vergabe von Hausaufgaben zum Einsatz.

Als Regeln für die Gruppe (Reglas del Grupo) gelten:

1. Unidad (Einigkeit),

2. Asistencia y Puntualidad (Anwesenheit und Pünktlichkeit),

3. Disciplina (Disziplin),

4. Respeto (Respekt),

5. Sinceridad (Aufrichtigkeit),

6. Discreción, Privacidad (Diskretion, Privatsphäre),

7. Amistad (Freundschaft),

8. Esperanza y Confianza (Hoffnung und Vertrauen),

9. Alegria (Fröhlichkeit),

10. Flexibilidad (Flexibilität),

11. Comunicación (Kommunikation),

12. Ayuda (Hilfe).

Abschluß am Psychologischen Institut

Den Abschluß bildete ein weiteres Treffen mit den kubanischen Kollegen des psychologischen Instituts, um mit ihnen zusammen ein Resümee unserer Reise zu ziehen. Ein deutscher Kollegen zeigte anhand von mitgebrachten Dias die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Osnabrück, in der er als Psychologe tätig ist. In den Gesichtern der kubanischen Kollegen konnten wir die Betroffenheit über die gute Ausstattung der deutschen Klinik beobachten. Zum Schluß wurden auf der Treppe zum psychologischen Institut mehrere Gruppenfotos zur Erinnerung gemacht. Am letzten Tag unseres "Psychoprogramms" unternahmen wir gemeinsam mit mehreren kubanischen Kollegen einen Ausflug in die Umgebung von Santiago. Auf dem "Gran Piedra", einem Aussichtspunkt auf einem der hohen Berge, die Santiago umgeben, genossen wir den Blick über die Insel und erstanden manch schönes Souvenir bei den dort anzutreffenden Straßenhändlern.

Austauch geht weiter

Die kubanischen Kollegen zeigten sich sehr interessiert an einem weiteren Kontakt mit uns deutschen Kollegen und luden uns zu verschiedenen Veranstaltungen ein: Vom 27.11. bis 1.12. findet  in La Havana der IV. internationale Kongreß für Gesundheitspsychologie statt. Eine gute Gelegenheit weitere Einblick in die psycho-sozialen Aspekte des kubanischen Gesundheitswesens zu erhalten. Im März des Jahres 2001 soll die Studienreise wiederholt werden um noch mehr Kollegen den Kontakt zu ermöglichen. Ganz besonders am Herzen lag der Kollegen in Santiago de Cuba ihr 4. Internationaler Kongreß zur Psychologie in Lateinamerika und der Karibik, der im November des Jahres 2001 stattfinden wird. Aufgrund der Kontakte und der Gespräche, die während der Studienreise geführt wurden, entschlossen sich Heidelberger Psychoanalytiker, ein Symposium zur psychoanalytischen Psychosomatik in Cuba zu planen. Als Termin ist der November 2001 angepeilt. Weitere Referenten sind willkommen. Studenten der Medizin und Psychologie und anderer Humanwissenschaften können sich noch im Oktober diesen Jahres mit Gleichgesinnten aus allen Erdteilen auf einem Interantionalen Kongreß in Havanna treffen. Mehr Informationen dazu im Internet unter http://members.aol.com/cubapsychologie oder direkt bei R. Kurschildgen, Tel. & Fax 0761-406111, e-mail: kurschild@gmx.de.


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