Fachartikel:

Zur Geschichte und aktuellen Lage der Psychologie in Cuba:

Der folgende Artikel wurde in der Zeitschrift "Psychologie in Österreich" mit dem Themenschwerpunkt "Psychologie weltweit", 20. Jahrgang, März 2000, S. 18-24, veröffentlicht.

von Dipl. Psych. Rainer Kurschildgen, e-mail: kurschild@gmx.de

Einleitungstext:

Während die in Europa und Nordamerika entwickelten Ansätze und Modelle der Psychologie in Lateinamerika breite Resonanz finden und gut bekannt sind, wird die Geschichte der Psychologie in Lateinamerika und ihre aktuellen Forschungsfragen bis auf wenige Ausnahmen in Europa kaum rezipiert. Insbesondere gilt das wohl für die Psychologie in Cuba. Der folgende Artikel will einen Blick über den Tellerrand der europäischen und nordamerikanischen Psychologie werfen und mit einigen historischen Figuren und der aktuellen Situation der Psychologie in Cuba bekannt machen.

Zusammenfassung:

Nach einleitenden Bemerkungen zu den Schwierigkeiten einer Beschreibung der Psychologie in Cuba, skizziert der Artikel das Leben und Werk der wichtigsten Vordenker der cubanischen Psychologie und schildert dann die Entwicklung der akademischen und angewandten Psychologie in Cuba nach dem „Triumph der Revolution" (1959). Geschildert werden die Phasen: soziales Engagement, wissenschaftliche Fundierung , „goldene Jahre" und die Lage der Psychologie in den aktuellen Krisenzeiten.


Angaben zum Verfasser:

Rainer Kurschildgen, Diplom Psychologe und Soziologe (M.A.), geb. 1962. Nach Studium in Freiburg und klinischer Tätigkeit an zwei psychosomatischen Fachkliniken jetzt an einer Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene tätig. Studienreisen zur Psychologie in Cuba seit 1998. Arbeitsschwerpunkte: Klinische Psychologie, Psychotherapie und Sozialpsychologie.

Zur Geschichte und aktuellen Lage der Psychologie in Cuba:

von Dipl. Psych. R. Kurschildgen

Der folgende Artikel beruht auf dem Studium der wichtigsten Aufsätze und Bücher zur Geschichte der Psychologie in Cuba von Fernando Gonzáles Rey (1995) und Carolina de la Torre Molina (1995 und 1996 in Zusammenarbeit mit Calviño Valdés-Fauly)(1). Eingearbeitet wurden auch Informationen aus Vorträgen, die von kubanischen Psychologen im Rahmen einer Studienreise deutscher Psychologen im März 1999 gehalten wurden. Wertvoll waren auch die Eindrücke während eines sechswöchigen Arbeitsaufenthaltes am Zentralkrankenhaus von Havanna. Die Datenbasis mag schmal erscheinen, doch angesichts der Tatsache, daß über die Entwicklung der Psychologie in Cuba im deutschen und im angelsächsischen Sprachraum wenig bekannt (respektive publiziert) ist, erscheint eine Veröffentlichung gerechtfertigt. Eine Beschreibung der Geschichte der Psychologie in Cuba steht allerdings vor mehreren Schwierigkeiten:

1. Vorkolumbianische Geschichte der Psychologie:

Die Geschichte der Psychologie in Cuba vor der Entdeckung der Insel durch Kolumbus und der Eroberung durch Diego Velázquez ist so gut wie unbekannt. Innerhalb der psychologischen Geschichtsschreibung läßt sich noch nicht einmal klären, ob die Quellenlage hierzu ungenügend ist, oder ob die vorhandenen Quellen bisher noch nicht genügend ausgewertet wurden (de la Torre verweist auf das Werk von Bachiler y Morales von 1879 ohne jedoch näher darauf einzugehen). Vielleicht hat auch die Tendenz, die psycho-sozialen Praktiken sogenannter primitiver Völker nicht unter Psychologie einzuordnen, dazu geführt, weitere Forschungen in diese Richtung aufzugeben. Lediglich über die psycho-sozialen Praktiken und Wissenssysteme einiger präkolumbianischer Hochkulturen (der Inkas, der Mayas und der Azteken) erschienen bisher bestimmte Studien. Gleichfalls sind Beschreibungen aus den Nachbarregionen Cubas bekannt. Im Falle Cubas mag erschwerend hinzukommen, daß die indianische Bevölkerung der Insel(3) im Rahmen der forcierten Besiedlung und Eroberung der Insel durch Diego Velázquez innerhalb weniger Jahrzehnte durch Zwangsarbeit, eingeschleppte Krankheiten, Zerstörung der traditionellen Lebensweise, Selbsttötungen, Erschießungen und Hunger fast vollständig vernichtet wurden. Aber wie gesagt, noch ist unklar, ob wirklich die Quellenlage unergiebig ist, oder ob evt. vorhandene Quellen bisher lediglich ungenügend ausgewertet wurden.

2. Psychologie in der Kolonialperiode:

Psychologie in der Kolonialperiode ist im wesentlichen eine Psychologie der Kolonialherren und als hauptsächliches Thema dieser Zeit taucht immer wieder die Selbsttötung der indianischen Bevölkerung und später der afrikanischen Sklaven auf. Aufgrund der völligen Vernichtung der indianischen Bevölkerung verlegte sich die spanische Kolonialherrschaft ab 1522 auf den Import afrikanischer Sklaven zur Aufrechterhaltung der Plantagenwirtschaft. Man schätzt, daß insgesamt 1,3 Millionen afrikanische Sklaven, hauptsächlich in der Zeit von 1780 bis 1875 , nach Cuba verschifft wurden. Heute ist Cuba (zumindest offiziell) stolz auf seine schwarzen Wurzeln, aber auch hier gilt, daß die psycho-sozialen Praktiken der afrikanischen Gemeinschaften, die sich in Cuba besser erhalten haben, als zum Beispiel in den USA(4), von der Psychologiegeschichtsschreibung trotz reichhaltiger ethnologischer und ethnographischer Studien kaum wahrgenommen wurden. Es ist, als wären diese für die Psychologie in Cuba nicht existent. Und obwohl die Santería-Religion mittlerweile legalisiert ist und es nun mehr auch Mitgliedern der Kommunistischen Partei gestattet ist, Anhänger einer Santería-Religion zu sein, gilt die Beschäftigung mit den afro-kubanischen Kulten innerhalb der Funktionärsklasse weiterhin als verpönt. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks versucht Cuba verstärkt auf traditionelle Heilweisen zu setzen, aber unter traditioneller Medizin versteht man in Cuba hauptsächlich die chinesische traditionelle Medizin oder die Heilung durch die Wirksubstanzen natürlicher Kräuter, deren Anbau, Verarbeitung und Verbreitung in Cuba stark gefördert wird.

Zunehmend wichtig werden für die kubanische Psychologie aber die Vordenker und Philosophen der antikolonialen Befreiungskriege. Immer wieder werden dabei die Namen: Felix Varela (1788-1853), José de la Luz y Caballero (1800-1862) und Enrique José Varona genannt (1849-1933).

2.1. Felix Varela (1788-1853):

Der Pater Felix Varela y Morales wurde zuletzt enthusiastisch in einem Artikel der Revista Cubana de Psicología von 1998 als der Vorläufer der Psychologie in Cuba gefeiert. Er wird in Cuba verehrt als „derjenige der uns das Denken beibrachte" (Dueñas Becerra 1998, S. 186 nach Galló 1986). Felix Varela wurde 1788 in La Habana geboren und verstarb (wie viele kubanische Denker) 1853 im Exil in Florida. Er durchlief eine theologische Ausbildung, wurde 1811 zum Priester geweiht und erhielt durch „streitbare und brillante" (Dueñas Becerra 1998, S. 186) akademische Übungen 1811 einen Lehrstuhl für Philosophie am Seminario San Carlos y Ambrosio. Trotz seiner theologisch/humanistischen Ausbildung verstand er vielleicht wie kein anderer seiner Zeit den eminent praktischen und experimentellen Charakter der Wissenschaft. Seine politische Bühne fand er 1822, als er zum Vertreter am königlichen Hof in Spanien ernannt wurde. Er setzte sich für die Unabhängigkeit Cubas und die Abschaffung der Sklaverei ein und bekämpfte „den Absolutismus und die Tyrannei in jeder ihrer brutalen Erscheinungen" (Dueñas Becerra 1998, S. 187). Mit diesen Äußerungen machte er sich am königlichen Hof nicht besonders beliebt und so sah er sich schon 1823 aufgrund von Morddrohungen gezwungen, in die USA ins Exil zu gehen. Dort war er bis zu seinem Tod neben seinem priesterlichen und kirchlichen Engagement publizistisch für die Unabhängigkeit Cubas tätig und beschäftigte sich mit Erziehungsfragen. Es ist wahrscheinlich diese Kombination aus politischem Engagement und Beschäftigung mit pädagogischen Themen, die ihn für die akademische Psychologie in Cuba als Vorläufer und Vordenker so interessant macht. In seinen „Cartas a Elpidio ...." formuliert Felix Varela sein pädagogisches Credo: Ziel des Lehrers sollte sein, dem Schüler „Alternativen zu zeigen, verschiedene Wege und Wahlmöglichkeiten". „Der Lehrer sollte sich am meisten dafür interessieren den Menschen das Denken zu unterrichten, oder besser gesagt, ihm die Hindernisse nehmen, die ihm am eigenen Denken hindern." Die Erziehungsreformen die Varela initiierte richteten sich gegen die klassischen Methoden, die sehr viel Wert auf das Auswendiglernen legten. Varela förderte Methoden, die aktuelle Erfahrungen, den Gebrauch der Vernunft und ein tieferes Verständnis des zu lernenden Materials betonten. Sein Ansatz wurde unter dem Namen „erklärende Methode" bekannt. Das starke Engagement des Priesters Felix Varela für eine praktische Psychologie im pädagogischen Feld führte schon 1902 dazu, daß Psychologie als eigenständiges Fach innerhalb der Normalschulen und der Hochschulen in den Fächern „Pädagogik" und „Philosophie" ins Curriculum aufgenommen wurde.

2.2. Luz y Caballero (1800-1862)

Luz y Caballero übernahm den Lehrstuhl für Philosophie, den schon Varela innegehabt hatte, als der unmittelbare Nachfolger Varelas Cuba verließ. Wie Varela war auch Luz y Caballero zunächst Priester der katholischen Kirche. Im Gegensatz zu ihm verließ er aber die Kirche im Streit über Glaubens- und Dogmenfragen. 1828 reiste er in die Vereinigten Staaten, nach Großbritannien und Kontinentaleuropa. Er studierte bei Cuvier in Frankreich und bei von Humboldt in Deutschland. Nach seiner Rückkehr setzte er sich für die Reform des Grundschulunterrichts ein, ähnlich wie sich Varela für Reformen im weiterführenden Schulwesen eingesetzt hatte. 1833 publizierte er „Testo de Lectura graduada para ejercitar el Método esplicativo". Wie sein Vorgänger forderte Luz y Caballero, das mechanische Lernen und das übertriebene Auswendiglernen abzuschaffen. Er gründete auch eine eigene Schule, regte die Gründung öffentlicher Büchereien an und berichtete über die Notwendigkeit, Mathematik, Zeichnen, Physik, Chemie und moderne Sprachen zu unterrichten(5).

2.3. Varona (1849-1933):

Varona steht am Übergang von der Philosophie zur Psychologie und wird von Vernon (1944, S. 75) als der erste Psychologe im (us-)amerikanischen Sinne des Wortes bezeichnet. Woraufhin aber auch Vernon wieder einschränkt, daß Varonas Werk zu umfangreich sei und sein Geist zu „enzyklopädisch und kreativ", um ihn auf das enge Gebiet der Psychologie begrenzen zu können. Er war nicht nur Psychologe, sondern eben auch Philologe, Dichter, Schriftsteller, Erzähler, und Philosoph. Von 1880 bis 1915 war er Professor für Philosophie, Honorardekan an der Fakultät für „Letters and Science", und während der Zeit der us-amerikanischen Verwaltung Minister für das öffentliche Unterrichtswesen, Vizepräsident der Republik und Vorsitzender der Konservativen Partei. In seiner Eigenschaft als Professor der Philosophie begann Varona 1881 Vorlesungen in moderner Psychologie zu halten, die im gleichen Jahr und in den Folgejahren in der „Revista Cubana" unter dem Titel „Conferencias Filosoficas" abgedruckt wurden. Wie seine Vorgänger beschäftigte sich Varona mit Erziehungsfragen und leitete in seiner Aufgabe als Minister eine Untersuchung des kubanischen Erziehungswesens ein, welche zu verschiedenen Reformen führte.


3. Psychologie zwischen dem Ende der Kolonialzeit (1898) und dem „Triumph der kubanischen Revolution" (1959):

Die Geschichte der Psychologie in Lateinamerika zwischen 1900 und den 60er Jahren des Jahrhunderts wird von Stubbe als Phase der Institutionalisierung der (Experimental-)Psychologie und Ausbreitung der Psychoanalyse beschrieben (vgl. Stubbe 1995). Während diese Entwicklung in den südlichen Ländern Lateinamerikas (hauptsächlich Argentinien, zu den genauen Daten vgl. Stubbe, 1995) schon um die Jahrhundertwende einsetzt, verläuft die Entwicklung in Cuba etwas langsamer und mit anderen Schwerpunkten. Trotz der Gründung eines Labors für experimentelle Psychologie 1934 durch Agramonte bleibt die Psychologie in Cuba stark erziehungswissenschaftlichen Themen verbunden und die Psychoanalyse konnte längst nicht so stark Fuß fassen, wie in anderen Ländern Lateinamerikas, insbesondere wie in Argentinien, Brasilien oder auch Mexiko(6). Inwieweit die verspätete Unabhängigkeit Cubas und der stärkere Einfluß der USA hierbei ein Rolle spielte, wurde bisher noch nicht detailliert untersucht.

Mit der Einrichtung eines Studienganges für Psychologie an der „Universidad de Santo Tomás de Villanueva" in Havanna 1950 und der Gründung einer „Escuela de Psicología" an der „Universidad de las Villas" 1958 beginnt in Cuba die Entwicklung der Psychologie als eigenständigem Fachgebiet im universitären Rahmen. Neben Agramonte ist Bernal del Riesgo einer der herausragenden Psychologen dieser Zeit. Von de la Torre wird er als der große Integrator der psychologischen Ansätze seiner Zeit beschrieben. In seinen Werken verarbeite er sowohl die führenden lateinamerikanischen Autoren (wie Varona, Ponce, Ingenieros, Mira y López) als auch die europäischen und nordamerikanischen Autoren (wie Freud, Jung, Pavlov, Wertheimer, Kats, Pierón, Piaget, Allport, Watson und James). Auch die sowjetischen Autoren Luria und Leontiev beziehe er in seine Überlegungen mit ein. De la Torre führt ihn als Beispiel für einen Psychologen an, der es schaffte, sich relativ unabhängig gegenüber den europäischen und nordamerikanischen Modellen zu verhalten, ganz im Gegensatz zu der Tendenz seiner Zeit, die gängigen europäischen und nordamerikanischen Denkweisen unhinterfragt zu übernehmen (vgl. de la Torre 1995, S. 41).


4. Psychologie in Cuba nach dem „Triumph der Revolution":

Nach dem Triumph der Revolution beginnt eine rasante Phase der Entwicklung der Psychologie in Cuba. In Bezug auf Stuppe (1995) könnte man sagen, daß aufgrund der verspäteten Unabhängigkeit in Cuba die Phase der Gründung psychologischer Institute, Laboratorien, Fachgesellschaften und Fachzeitschriften mit der Expansion der Psychologie, wie sie aus den anderen lateinamerikanischen Ländern für die Zeit nach 1960 zu verzeichnen ist, zusammenfällt. Einer der besonderen Förderer der Psychologie war - glaubt man den Berichten Carolina de la Torre - Che Guevara, der schon relativ früh in seinem Industrieministerium eine psychologische Abteilung einrichtete, die sich mit der Orientierung und Ausbildung von Führungskräften und jungen Fachleuten beschäftigte, die im Ausland an Kursen und Studien teilnahmen (de la Torre, 1995, S. 86). 1961 wird dann in Havanna das Psychologische Institut gegründet, es folgt 1962 das psychologische Institut in Las Villas. Nach Carolina de la Torre und Fernando Gonzáles Rey kann man die Entwicklung der Psychologie in Cuba nach 1959 in die folgenden Phasen einteilen:

zu a) „Soziales Engagement":

Nach dem Sieg der Revolution widmeten sich die Studierenden der Psychologie und die im Land verbliebenden Psychologen zunächst sehr intensiv dem Prozeß der sozialen Entwicklung. Viele der jungen Studenten und Dozenten verbrachten lange Zeiten in den Zuckerfabriken, kleinen Gemeinden, Schulen und anderen Institutionen, um durch ihre Arbeit zur Verbesserung der sozialen Lage oder im Falle der Zuckerfabriken zur Verbesserung des Funktionierens der Produktion beizutragen. Während dieser Zeit ruhte die akademische Ausbildung bzw. sie beschränkte sich auf das Selbststudium und auf gelegentliche Treffen mit den Dozenten. In diese Zeit fiel auch die Einführung der Psychologie in das Gesundheitswesen (in der die Psychologie noch heute eine sehr starke Stellung hat), die Verallgemeinerung des Erziehungswesen, die Schaffung von Kindergärten und die Betreuung von Kindern unter drei Jahren (die sogenannten „circulos infantiles"). Diese Phase der Entwicklung der Psychologie in Cuba sollte man nicht unterschätzen, denn der überwiegende Teil derjenigen Psychologen und Psychologinnen, die heute an den Universitäten unterrichten und Forschungsprojekte leiten, wurde durch die Erfahrungen, die sie in dieser Phase machten, geprägt.

Zu b) „wissenschaftliche Konsolidierung":

In den 70 Jahren begann in der Verbindung mit der Entsendung vieler Stipendiaten nach Frankreich, Belgien und vor allem in die Sowjetunion eine Phase der wissenschaftlichen Konsolidierung der Psychologie in Cuba, die von den heutigen Psychologen in Cuba hoch geschätzt wird. Obwohl der Einfluß der sowjetischen Psychologie in den späteren Jahren eindeutig überwiegt, darf die Bedeutung der französischen Psychologie in den frühen 70er Jahren nicht übersehen werden. So weist Gonzáles Rey auf die wichtigen Besuche von P. Fraisse, J. Nuttin und R. Zazzo und die Studienaufenthalte einer wichtigen Anzahl von kubanischen Psychologen in Frankreich (darunter B. Díaz, L Morenza, D. Gonzáles Serra, M. Manzano, D. Zaldívar (heute Dekan an der Fakultät für Psychologie in Havanna) und G. Pineda) hin. In den späteren Jahren überwog aber eindeutig der Einfluß und die Orientierung an der sowjetischen Psychologie (repräsentiert durch die Namen Rubinstein und Wygotski), die heute z.B. von Carolina de la Torre durchaus kritisch gesehen wird, weil ihrer Meinung nach die übergroße Orientierung an der sowjetischen Psychologie die eigene, kreative Entwicklung der Psychologie in Cuba (de la Torre, 1996, S.114) eher behindert, als gefördert habe.

Eine Ausnahme bildete der Bereich der Gesundheitspsychologie, in dem große Erfolge erzielt werden konnten und in dem eine relativ eigenständige, vom Einfluß der sowjetischen Psychologie weitgehend unabhängige Entwicklung gelang. Heute arbeiten in diesem Bereich in Cuba nach den Angaben von de la Torre mehr als 1600 Psychologinnen und Psychologen. Nicht nur gegenüber dem „sozialistischen Bruderland" gelang der kubanischen Psychologie hier eine eigenständige Entwicklung, sondern auch gegenüber dem „westlichen" Ausland, insbesondere den USA und Europa, in der die Gesundheitspsychologie erst in den letzten Jahren zunehmend mehr Beachtung und Bedeutung gewann.


Zu c) die „goldenen" achtziger Jahre:

Die 80er Jahre gelten in Cuba als die „goldenen Jahre" und zwar nicht nur in Bezug auf die Psychologie, sondern allgemein in Bezug auf den erreichten Stand der ökonomischen und sozialen Entwicklung. Die gute ökonomische Situation des Landes erlaube umfangreiche staatliche Aktivitäten. Soziale und damit auch psychologische Dienste konnten in einem hohen Ausmaß gefördert werden, was sich im wissenschaftlichen Sektor in einer Erhöhung der Ausgaben für die Verbesserung der Studienbedingungen, Vermehrung und Vertiefung der Forschungsaktivitäten, Veranstaltung von Kongressen, Förderung von Publikationen und der Ausweitung des wissenschaftlichen Austauschs niederschlug. Das wissenschaftliche Interesse verschob sich zu einer stärkeren Erforschung und Förderung der subjektiven Faktoren, korrespondierend zu der Notwendigkeit, aufgrund der wirtschaftlichen Wachstumspläne die Effizienz , Produktivität und Organisation der wirtschaftlichen und administrativen Einheiten zu verbessern. Neue Formen der Führung und der Ausbildung von Führungskräften und Arbeitern wurden notwendig, auch um die Verwendung neuer Technologien zu gewährleisten. Noch heute schwärmen die Kubaner von den damaligen Möglichkeiten und den Versorgungsgrad, den die Libreta - das kubanischen Bezugsscheinheft - bot(7), und weisen mit Verbitterung auf das wenige hin, was ihnen von staatlicher Seite zu subventionierten Preisen zur Zeit geboten wird, was meistens - wenn überhaupt - nur für die ersten 10 Tage des Monats reicht. Danach beginnt für jede kubanische Familie der Überlebenskampf.


Zu d) Krisenjahre:

1989 verlor Cuba mit dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks und der Sowjetunion seine wichtigsten Handelspartner. Das Land näherte sich dem wirtschaftlichen Kollaps und westlichen Kommentatoren erscheint es als Wunder, daß das Regime in Cuba die extreme wirtschaftliche Talfahrt überlebte. Die Lebensqualität verschlechterte sich erheblich und zusammen mit den Schwierigkeiten, das tägliche Leben zu meistern, erhöhte sich die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. De la Torre nennt etwas versachlicht zwei Bereiche, in denen die negativen Folgen für die Psychologie spürbar wurden:

  1. Das Studienobjekt und seine Probleme veränderten sich erheblich und
  2. die institutionellen Rahmenbedingungen der Psychologie verschlechterten sich beträchtlich.

Zu 1.: Allgemein werden heute in Cuba eine starke Verunsicherung der Bevölkerung, eine Verstärkung der individualistischen Tendenzen, Schwierigkeiten in der sozialen Integration und ein moralischer Werteverfall beklagt. De la Torre nennt einige neue Untersuchungsrichtungen, die sich aufgrund dieser Situation ergaben:

Interessant ist auch, das sich der Umfang und die Rezeption psychologischer Orientierungsprogramme in den Massenmedien stark ausweitete.


Zu 2.: De la Torre nennt auch einige institutionelle Auswirkungen der schwierigen ökonomischen Lage. Dabei ist zu bedenken, daß psychologische Aktivitäten in Cuba ausschließlich im Rahmen staatlicher Institutionen erfolgen. Und obwohl der Staat dem Gesundheitsbereich Priorität einräumt, ergaben sich vielfältige technische Probleme (von der fehlenden Beleuchtung in den Räumen, in den Psychologen tätig sind, bis hin zu fehlenden Computern etc), wichtige Basismaterialen sind oft nicht vorhanden (Papier, Büroartikel, Fotokopierer, Kommunikationsmittel, psychologische Tests, Arbeitsräume, Transportmittel, Mittel, um Psychologen aus anderen Provinzen zu versammeln und unterzubringen). Außerdem wurden die Möglichkeiten zur Teilnahme an Trainingsmaßnahmen im Ausland oder der Teilnahme an Kongressen erheblich eingeschränkt.

Angesichts dieser Situation wurden die Forschungsprogramme häufig erheblich reduziert und die Programme, die eng mit den Interessen des Staates verbunden waren, erhielten Priorität. Psychologinnen und Psychologen sind zunehmend gezwungen sich ihre Arbeitsbedingungen selber zu schaffen, wobei die fehlende mentale Vorbereitung und institutionelle Hindernisse diesen Prozeß oft behindern.

Trotzdem kann die Psychologie in Cuba einige Fortschritte auch in den 90er Jahren verzeichnen:

An den Universitäten des Landes wurde eine ganze Anzahl von postgraduierten Kursen geschaffen und trotz erheblicher Schwierigkeiten konnte eine Anzahl von internationalen Kongressen organisiert werden: Darunter allein drei Kongresse zur Psychoanalyse und marxistischen Psychologie, aber auch Kongresse zur Parapsychologie, zur Sexuellen Beratung, zur Psychologischen Aufklärung, zur Gesundheitspsychologie und andere.

Im Bereich der Gesundheitspsychologie konnten eine Reihe von Forschritten erzielt werden:

Außerdem ergaben sich in Zusammenhang mit der neuen ökonomischen Politik des Landes ganz neue Arbeitsfelder, z.B. im Bereich Markstudien, im Bereich der Ausbildung von Führungskräften und im Bereich Marketing.


Exkurs: Psychoanalyse in Cuba

Während in den anderen Ländern Lateinamerikas die Psychoanalyse relativ früh Fuß fassen konnte, blieb der Einfluß der Psychoanalyse in Cuba gering. Erst für die 50er Jahre wird von einer Gruppe von Psychoanalyseschüler berichtet, die sich um Cèsar Mussarri bildete. Sie stand wie die anderen psychoanalytischen Gruppen in Lateinamerika in Kontakt mit Psychoanalytikern aus Europa und Nordamerika, wobei die Kontakte zu Nordamerika aufgrund der leichter herzustellenden Verbindung häufiger waren. Diese Gruppe war beim Sieg der kubanischen Revolution noch wenig gefestigt und sie zerfiel bald. Angeblich gingen viele ihrer Mitglieder - ihren Patienten nachfolgend - ins Exil (de la Torre 1995, S. 52). Wenn auch der klinische Einfluß der Psychoanalyse in der Folgezeit gering blieb (auch aufgrund der ganz anderen Struktur des kubanischen Gesundheitswesens, welches im wesentlichen als staatlicher Dienst konzipiert ist und keine privaten Praxen kennt)(9), so wurden doch die Schriften der sozial engagierten Psychoanalytiker in Cuba breit rezipiert. Carolina de la Torre erwähnt z.B. ausführlich die Cuestionamos Gruppe um Marie Langer etc. und die Arbeiten von Erich Fromm (de la Torre 1995, S. 79ff) . Wie erwähnt finden seit 1990 im zweijährigen Rhythmus Kongresse zum Thema Psychoanalyse und marxistische Psychologie an der Fakultät für Psychologie der Universität von Havanna statt. Leider scheint es zu diesen Kongressen außer evt. noch privat vorhandenen Vortragsmanusskripten keine weiteren Aufzeichnungen zu geben(10). Fernando Gonzáles Rey berichtet, daß zu Beginn der 70 Jahre die „Obras escogidas (ausgewählten Werke)" von Freud erschienen, allerdings in einer limitierten Auflage (Gonzáles Rey, 1995, S. 70)(11). Die Werke Freuds befinden sich jedoch heute in fast jeder psychologischen Bibliothek, meistens in Form der spanischen Ausgaben, die den psychologischen Instituten teilweise von ausländischen Psychoanalytikern geschenkt wurden. Die Verbreitung psychoanalytischer Schriften wird heute in Cuba nicht durch Zensur, sondern mehr durch den allgemeinen Papiermangel und den Unzulänglichkeiten des kubanischen Publikationswesens eingeschränkt. Um die klinische Anwendung der Psychoanalyse bemüht sich heute in Havanna eine vor kurzem gegründete Studiengruppe mit ca. 8-12 Mitgliedern. Sie organisiert Seminare, versucht die Tradition der Lehranalysen wiederzubeleben und bietet in einer der Polikliniken Havannas auch einen psychoanalytisch orientierten Konsultationsdienst an, zu dem Kollegen aus anderen Kliniken und Institutionen Patienten überweisen können, wenn sie es für sinnvoll und notwendig halten. Theoretisch bemüht sich die Gruppe hauptsächlich um die Rezeption der französischen Psychoanalyse, die mit dem Namen Lacan verbunden ist.

Eine zweite, weniger bekannte Gruppe, die sich mit der Psychoanalyse auseinandersetzt, hat sich innerhalb des Berufsverbandes der kubanischen Psychologen innerhalb der Sektion für klinische Psychologie gebildet.

5. Schlußbemerkungen:

Zum Schluß sei es erlaubt, noch einige persönliche Eindrücke anzufügen: Die akademische Psychologie in Cuba präsentiert sich heute in einer bemerkenswerten Vielfalt, es gibt eigentlich keinen Bereich der internationalen Psychologie zu dem in Cuba nicht auch geforscht und gelehrt wird. Deutlich spürbar ist das Bemühen, in den sich neu entwickelnden Bereichen der Psychologie, z.B. der Neuropsychologie und kognitiven Psychologie (bzw. Kognitionswissenschaften) den internationalen Anschluß zu wahren. Die Errungenschaften der Gesundheitspsychologie werden offensiv präsentiert und zum Teil gegen erhebliche Gebühren (in Form von Trainings) an ausländische Kolleginnen und Kollegen verkauft. Ausgesprochen modern muten die Auseinandersetzungen um eine mehr subjektwissenschaftliche versus stärker am Modell der quantitativ forschenden Wissenschaften orientierten Psychologie an, wobei hier Fehlschlüsse aus Unkenntnis über die Diskussionslinien der Psychologie in der ehemaligen Sowjetunion naheliegen (Beim Streit um Wygotski ist in der Sowjetunion schon einmal eine ähnliche Diskussion geführt worden). Angesichts des Zusammenbruchs der Sowjetunion wird in Cuba die Politik verfolgt, alle Theorien noch einmal auf ihre Nützlichkeit für die kubanische Entwicklung hin zu überprüfen, was vielen an den Universitäten tätigen Psychologen erhebliche Spielräume in der Verfolgung eigener Interessen und Vorlieben eröffnet hat(12).

Angesichts dieser Eindrücke stellt sich die Frage, ob die heimlich oder offen von ausländischen Besuchern an die kubanische Psychologie gestellte Frage, wie frei sie denn eigentlich forschen oder lehren darf, nicht falsch gestellt ist. Wahrscheinlich muß man auch für die kubanische Gesellschaft davon ausgehen, daß es verschiedene Interessenlinien und Interessengruppen gibt, die sich in jedem Moment neu austarieren und durchaus unterschiedliche Anforderungen an die Psychologie stellen, die zudem auf ganz unterschiedliche Weise von den jeweiligen Personen interpretiert, bewertet und beantwortet werden. Ähnlich wie in den westlichen Ländern darf man in Cuba nicht von einer 1 zu 1 Umsetzung von gesellschaftlichen und staatlichen Anforderungen an die Psychologie ausgehen. Darüber hinaus dürfte es auch in Cuba an den psychologischen Instituten Beziehungsgeflechte, Loyalitäten, Verbundenheiten, wechselnde Grade von persönlichen oder wissenschaftlichen Animositäten und Freundschaften geben, die über Ausrichtung von Forschungsprojekten und Stellenbesetzungen eine Rolle spielen.

Aber es gibt auch bedenkliche Entwicklungen: Ein Zug der Politik nach dem Verfall der Sowjetunion und der dadurch ausgelösten Krise des staatssozialistischen Modells ist, daß in Cuba weniger sozial und vermehrt national argumentiert wird. Weniger das Streben nach mehr sozialer Gerechtigkeit als die Erhaltung der nationalen Unabhängigkeit scheint die neue Tendenz der Politik zu sein. Dementsprechend wird auch in der Psychologie stärker in Richtung Erhaltung und Förderung einer nationalen Identität geforscht und gelehrt, was sich z.B. auch in dem Buch von Carolina de la Torre niederschlägt, die den Forscher und Denker, die sich zur Cubanität äußern, in der publizierten Fassung ihres Buches einen wesentlich größeren Stellenwert einräumt, als sie dies noch vor Jahren in einem Manuskript zur Geschichte der Psychologie in Lateinamerika tat. Auch die oben erwähnten neuen Forschungsrichtungen scheinen sich unkritisch diesem Trend anzupassen.

Literaturverzeichnis:

Primärliteratur:

* Cairo Valcárcel, Eduardo (1998): Análisis bibiliométrico de la Revista Cubana de Psicología. Una modesta contribución para la tarea mayor: Escribir la historia de la Facultad de Psicología de la Universidad de La Habana. In: Revista Cubana de Psicología, Vol. 15, No. 3.

* Dueñas Becerra, Jesús (1998): Varela: Psicologo Precursor. In: Revista Cubana de Psicología, Vol. 15, No. 3, S. 186-190..

* Gonzáles Rey, Fernando (1995): La psicología en Cuba. Apuntes para su historia. In: Temas, No. 1, S. 69-76, enero-marzo 1995.

* Torre Molina, Carolina de la und Calviño Valés-Fauly, Manuel (1996): Logros, Problemas y Retos de la Psicologia en Cuba. In: Revista Cubana de Psicologia, Vol. 13, No. 2-3, S. 113-122.

* Torre Molina, Carolina de la (1995): Psicología latinoamericana: entre la dependencia y identidad. San Juan, Puerto Rico: Publicaciones Puertorriqueñas.

* Stubbe, Hannes (1995): Wichtige Ereignisse in der Geschichte der Psychologie in Lateinamerika. In: Kölner Beiträge zur Ethnopsychologie und transkulturellen Psychologie. H. 1, S. 99-149.

* Valdés, Zoé (1998): Das tägliche Nichts. Btb-Taschenbuch.

* Vernon, W.H.D. (1944): Psychology in Cuba. In: Psychological Bulletin, Vol. 41, No. 2, Februar 1944.


Sekundärliteratur (von obigen Autoren erwähnte Literatur):

Bachiller y Morales, A. (1879): Cuba primitiva: Origen, lenguas, tradiciones e historia de los indios de las Antillas Mayores y las Lucayas. Revista de Cuba, Tomo V, S. 3-31, Periodico Mensual. Habana: de Soler y Co.

Garcia Galló, G.J. (1986): Bosquejo histórico de la educación en Cuba. La Habana: Editorial Pueblo y Educación.

Varela, F. (1944-1945): Cartas a Elpidio sobre la impiedad, la superstición y el fanatismo en sus relaciones con la sociedad. La Habana: Editorial Universidad de La Habana (2 tomos) (Bibilioteca de autores cubanos, 5-6. Obras de Félix Varela y Morales, 6-7).

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Fußnoten:

1. Einen guten Überblick über die Geschichte der Psychologie in Lateinamerika von 1500 bis 1994 gibt Hannes Stubbe (1995).

2. Von Exilkubanern wird oft glaubhaft auf das hohe Maß an sozialer Kontrolle hingewiesen, welches in Cuba herrscht (vgl. dazu in literarischer Form Zoé Valdés). Meistens erfährt man darüber hinaus erst, wenn man wieder im Ausland ist, über die neuesten Repressionsmaßnahmen. Im Inland sind sie aufgrund der Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung so gut wie unbekannt oder werden nicht mitgeteilt oder doch zumindest so kontrovers diskutiert, daß ihr Status schwer einzuschätzen ist.

3. Im wesentlichen Tainos, die 200 Jahre vor Kolumbus auf die Insel einwanderten und zu Zeiten Kolumbus etwa 3/4 der Bevölkerung ausmachten.

4. Dies beruht auf einer andersgearteten Politik der Spanischen Sklavenbesitzer gegenüber ihren Sklaven, die die Stammesgemeinschaften bestehen ließen, während sie in der USA auseinandergerissen wurden.

5. Alle Angaben nach Vernon 1944, S. 75. Dort finden sich auch viele weiterführende Literaturhinweise.

6. Vergleiche auch die Zusammenfassung von Vernon aus der Sicht des Jahres 1944: „Faßt man (...) zusammen, dann könnte man sagen, daß die Forschungsarbeiten kubanischer Psychologen hauptsächlich praktischer Natur waren. Die frühen kubanischen Philosophen-Psychologen waren hauptsächlich mit der Entwicklung besserer pädagogischer Methoden beschäftigt und Erziehungspsychologie bleibt das Feld, auf dem die eigenständigsten Beiträge moderner kubanischer Psychologen gefunden werden können (Vernon 1944, S. 80).

7. Die Verhältnisse der 80er Jahre mögen aufgrund der heutigen schlechten Zustände idealisiert und glorifiziert werden. Verschwiegen oder nicht zur Kenntnis genommen werden dabei meistens auch die hohen direkten und indirekten Hilfen von Seiten der Länder des ehemaligen Ostblocks. Allein die Hilfe der Sowjetunion durch Subventionen und erhöhte Preise werden auf 5 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Andere Quellen sprechen davon, daß die 80er Jahre keinesfalls in ihrer Gesamtheit als „goldene" Jahre bezeichnet werden können. Schon zu Beginn der zweiten Hälfte der 80er Jahre zeichneten sich erhebliche Schwierigkeiten auf Grund von Überzentralisierung und Bürokratisierung ab. 1986 begann deshalb ein Prozeß, der „Rectificación"(wörtlich: Berichtigung, Verbesserung) genannt wurde, und in dem mehr Entscheidungskompetenz auf untere Ebenen verlagert wurde. Unter Umständen beziehen sich die Äußerungen von de la Torre auf diesen Prozeß.

8. So wird in Cuba die aktuelle Situation der ökonomischen Krise genannt.

9. Nach persönlichen Mitteilungen konnten diejenigen niedergelassen Psychotherapeuten, die vor der Revolution eine private Praxis besaßen, diese nach der Revolution weiterführen. Es durften aber keine neuen mehr gegründet werden. Heute gibt es in Cuba keine einzige private Praxis mehr. Psychotherapie findet ausschließlich im Rahmen von Institutionen, und hier vor allem in Form von externen Konsultationen an Polikliniken, Allgemeinkrankenhäusern, Fachkrankenhäusern und Centros de Orientación y Attención statt.

10. Mündliche Mitteilung Hannes Stubbe 19.8.1999.

11. Die Limitierung der Auflage war nach der Aussage von Fernando Gonzáles Rey nicht Ausdruck einer Politik, aber „ohne Zweifel Ausdruck einer Atmosphäre, die eine ideologische Debatte umgab, die sich nicht in allen Sektoren des Landes in der gleichen Form ausdrückte" (1995, S. 70, eigene Übersetzung).

12. Das In- und Nebeneinander von Offenheit und u.U. biographisch bedingter Orientierung an Autoren, die zur marxistischen Psychologie gerechnet werden, läßt sich auch am Beispiel der Revista Cubana de Psicología verdeutlichen. Sie ist neben dem Bulletin der Psychiatrie sicherlich die wichtigste und renommierteste psychologische Fachzeitschrift in Cuba. Auch hier ist die Vielfalt der Themen zunächst verblüffend. Andererseits kommt Cairo Valcárcel (1998) in einer bibliometrischen Analyse der von 1984 bis 1996 publizierten Artikel zu dem Ergebnis, daß die meisten der in den bibliographischen Angaben der Artikel erwähnten Autoren sowjetischer Provenienz sind (Es handelt sich bei seinen Angaben allerdings um einen Durchschnittswert aus 12 Jahren (1984-1996), der keinen Aufschluß über die Entwicklung der Zitierhäufigkeit sowjetischer Autoren in den letzten Jahren gibt). Auch er weist darauf hin, daß dies damit zusammenhängen könnte, daß die meistens Autoren während ihres Studiums hauptsächlich mit sowjetischen Autoren konfrontiert waren, in der Sowjetunion ihre postgraduale Ausbildung erhielten oder an Trainingsmaßnahmen teilnahmen.


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